WAS DAS NASHORN SAH, ALS ES AUF DIE ANDERE SEITE DES ZAUNS SCHAUTE

Schauspiel von Jens Raschke

Vor vielen Jahren gab es einmal einen Zoo auf einem Berg. Um den Zoo herum lebten sehr, sehr viele Menschen in gestreiften Anzügen in hässlichen Baracken. Einige wenige Leute in schwarzen, lackglänzenden Stiefeln wohnten in schönen Häusern. Zwischen dem Zoo und den Menschen stand ein summender Zaun mit Stacheldraht und Wachtürmen. Dieser Zaun war aber nicht wegen der Tiere da. Bis vor kurzem lebte ein Nashorn im Zoo, das ganz plötzlich gestorben war. Papa Pavian, der »Chef« unter den Zoobewohnern, erklärte den anderen Tieren, dass das Nashorn sich in Dinge eingemischt habe, die es nichts ­angingen. Und die hatten etwas damit zu tun, was es auf der anderen Seite des Zaunes sah …
Warum raucht der Schornstein, wenn es draußen warm ist? Und weshalb gibt es keine Vögel in der Luft, fragt sich auch der neue Zoobewohner, ein junger Bär aus Sibirien. Mit seinen Beobachtungen provoziert er den Ärger von Papa Pavian, der rät, keine Fragen darüber zu stellen, was die »Gestiefelten« mit den »Gestreiften« tun, solange es den Tieren im Zoo gut geht.

1938 wurde direkt neben dem Konzentrationslager Buchenwald für die KZ-Aufseher und deren Familien ein Zoo gebaut. Jens Raschke nutzt diesen Fakt, um daraus eine allgemeingültige, kindgerechte Parabel über den Umgang mit Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit zu schreiben.

regie: KATHARINA BRANKATSCHK || ausstattung ANJA KREHER || dramaturgie: ANNETTE KUSS || es spielen: NORA REBECCA WOLFF, SARAH FINKEL, ANDREAS SCHLEGEL, ROUVEN KLISCHIES

"Ab welchem Alter und wie erzählt man Kindern vom Holocaust? Fordern, aber nicht überfordern, ist ein Balanceakt. (...) Eine Punktlandung just einen Tag vor dem erneuten Lockdown für Kultur in Deutschland. In der subtilen Regie von Katharina Brankatschk erleben die wenigen Glücklichen, die noch einmal ins Theater kamen, 70 Minuten feines Erzähltheater, einfühlsam, direkt, mit einem jungen Ensemble."

Heilbronner Stimme, Claudia Ihlefeld, 3.11.2021
Fotos: Thomas Braun