Bertolt Brecht: Flüchtlingsgespräche – Eine szenische Lesung
»Die schärfsten Dialektiker sind die Flüchtlinge. Sie sind Flüchtlinge infolge von Veränderung und sie studieren nichts als Veränderungen.«
Bertolt Brechts zu Beginn der 1940er Jahre verfasste Dialoge in »Flüchtlingsgespräche« erzählen vom Alltag der aus Deutschland Vertriebenen, zu denen der Autor selbst auch gehörte. Bereits 1933 verließ Brecht Deutschland und suchte Exil in Prag, Wien, Zürich, Dänemark, Skandinavien und Kalifornien. Seine Eindrücke verarbeitete er in einer Art »Selbstgespräch zu zweit« in besagtem Fragment »Flüchtlingsgespräche«: Dort unterhalten sich der Physiker Ziffel und der Arbeiter Kalle in einem finnischen Bahnhofsrestaurant über Pässe, Pornografie, Zigarren und Demokratie. Sie befinden sich als politische Flüchtlinge zwischen den Welten, zwischen den Möglichkeiten einer Heimat. Der Text legt in humoristisch-verzweifeltem Ton die Verhältnisse geflüchteter Menschen während des Zweiten Weltkrieges frei, ohne in eine moralische Ästhetik abzugleiten. Der Stoff ist von erschütternder Aktualität: Die Würde des (schutzlosen) Menschen bleibt ein stets zu bewahrendes Gut und die Verantwortung der Schutzgebenden.
Die »Flüchtlingsgespräche« sind auch eine Utopie über das Warten als kultivierter Zustand; als Rettungsversuch der Menschheit.
regie: KATHARINA BRANKATSCHK || dramaturgie: SOPHIE SCHERER || bühne: JENS RICHTER || kostüme: CLAUDIA HOPPE || video: PAUL MAXIMILIAN PIRA || es spielen: AXEL GÄRTNER, KARL-FRED MÜLLER, STANISLAW BRANKATSCHK, TIL SCHWEIGER, SYBILLE KRESS, SALAR HASSAN
"Die Inszenierung besticht durch Klarheit, Zeitbezug und anarchische Frische." Mitteldeutsche Zeitung, Andreas Montag 8.4.2016